Einmal Alm, bitte

Es gibt Orte, die einfach gut tun. Die Alm ist so ein Ort. Gemeint ist nicht die Touristenfallen-Alm. Sondern die ursprüngliche, die Ur-Alm. Hier, zwischen satter Stille und fernem Kuhglocken-Klang, zwischen dem Duft nach Heu und frischer Butter, baumelt die gestresste Seele ganz entspannt.

 

Dass es meistens das Kleine und Wenige und Einfache ist, das Herz und Bauch wohlig wärmt, hat sich ja schon herumgesprochen. Die Entspannung mag eben einfache Verhältnisse. Deshalb liebt der Alltags-Gehetzte die Auszeit im Camper, auf dem Jakobsweg oder Segelschiff. Oder eben auf der Alm. Weit weg von Zeitdruck und Überfluss, Besitz und Ballast auf ein Minimum reduziert. Atmet auf und denkt sich, so lässt es sich leben.

Für uns ist, logistisch gesehen und kulturell bedingt, die Alm der erste Zufluchtsort, wenn die Festplatte mal wieder heiß läuft. Dabei ist es auch hierzulande gar nicht mal so einfach, eine Alm mit Entspannungsfaktor zu finden. Klar, es gibt solche, die man immer wieder gerne besucht, weil man hier so gut isst, Höhenluft schnuppert und eine große Auswahl Südtiroler Spezialitäten in Hauben-Qualität serviert bekommt. Diese Almwirtschaften machen glücklich. Sehr sogar. Aber das tiefenentspannte Almfeeling, das ein bisschen mit körperlicher Anstrengung und viel mit Loslassen zu tun hat, stellt sich nicht ein. Zu leicht erreichbar, zu viel Leben in der Bude, zu gastronomisch, zu komfortabel, zu viel Netzempfang. Ja gut, die mobile Erreichbarkeit kann man abstellen und man muss auch nicht unbedingt die Minestrone bestellen. Der Rest sollte dann aber schon stimmen, damit die Entschleunigung mitkommt, bergauf. Kuhglocken, Heuduft, Menschlichkeit und Stille. Vor allem Stille. Vielleicht das eine oder andere Wort mit dem Senner wechseln, vom selbstgemachten Käse kosten, das Bauernbreatl dick mit Almbutter bestreichen. So ist die Ur-Alm. Sie steht in keinem Touristenführer. Warum auch? Hier geht es primär nicht um die Bewirtung von Gästen, sondern um die Sömmerung der eigenen und anvertrauten Rinder und Ziegen. Und wenn man dann einkehrt, auf dem Rückweg vom Berggipfel und es wird ein Stück vom selbstgeräucherten Speck abgeschnitten oder es gibt zufällig einen Schmarrn, weil die Hennen besonders fleißig waren, dann ist das wie Weihnachten. Weil man weiß, dass hier keine 100 Speckseiten hängen und im Stall keine Eierlegebatterie betrieben wird. Weil das Wenige plötzlich zum Besonderen wird. Kürzlich erlebt: ein entspannter Nachmittag auf einer solchen Ur-Alm. Mit Ziege in der Nase und Zirmschnaps in der Kehle. Und einer Erfahrung, die wieder einmal zeigt, worauf es ankommt. Einmal Alm, bitte.

 

Hier erlebt: auf der Tesselberger Alm
Foto: SANNI

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